Die Patina. Das Glänzen. Die Melancholie.

Notizen über das Sehen an Karl Karner und Linda Samaraweerová.

Sandra Noeth

Das Reagieren auf die Welt ist den Werken von Karl Karner und Linda Samaraweerová auferlegt. So ist die Patina, die die Oberflächen der Skulpturen überzieht, stumpf, glänzend, Stellvertreterin für einen Glanz, der uns immer wieder in ihren Performances und Installationen begegnet. Sie erzählt vom Aussetzen des Materials und von Zuständen der Metamorphose. Sie ist eine lebendige Schicht, die von inneren Vorgängen und äußerem Ausgesetzt- Sein, von Alterung und Witterung, von Substanzen und Mischungen zeugt.

Wie ein Riss, der sich durch unsere zeitlichen und narrativen Linien und Chronologien zieht, sie unterbricht und verstört, fordert sie uns auf, an unserer Wahrnehmung zu arbeiten. Wenn ihr Glanz im Betrachten unsere Augen trifft, ruft er eine Textur von sich durchkreuzenden und überlappenden Narrationen, von versteckten und ganz offensichtlichen, mikroskopischen, kleinen Geschichten und Figurenwelten sowie symbolhaft-wiederkehrenden Motiven, von Erinnerungen und Fiktionen auf. Er ist verstörend in der Überforderung seiner Referenzen und beruhigend, tröstend zugleich in dem Vertrauen, das er dem Betrachter entgegenbringt, seinen eigenen Weg durch die Feingliedrigkeit und Aufgeteiltheit der Bilder, Erzählungen und Bewegungen zu machen. Er bedient sich einer Poetik des Überschusses, die ihm innewohnt – immer schon ‚zu viel‘, immer ‚noch nicht‘. Mit dem Verlassen des Galerie- oder des Theaterraums nistet sich das Glänzen der Patina in unserem Auge ein. Ein Scheinen, eine Spiegelung, alchemistische Zutat oder distanzierendes Korn, bleibt es als Schwelle zu unserem Sehen, als Schwelen des Gesehenen, Teil unseres Blicks.

„Sie wurde mit dem Schleier im Auge geboren. Eine sehr starke Kurzsichtigkeit entfaltete zwischen ihr und der Welt ihre beängstigenden Zauber. [...] Die Kurzsichtigkeit war ihr Fehler, ihre Leine, ihr nicht-wahrnehmbarer angeborener Schleier (voile natale). Seltsame Sache, sie sah, daß sie nicht sah, aber sie sah nicht gut. Jeden Tag gab es Verweigerung, aber wer konnte sagen, von wem die Verweigerung ausging: War es die Welt oder war sie es? Sie gehörte zu jenem verborgenen obskuren Menschenschlag, der vor dem großen Tableau der Welt hilflos umherirrt, den ganzen Tag in einer Geständnishaltung: Ich sehe den Straßennamen nicht, ich sehe das Gesicht nicht, ich sehe die Tür nicht, ich sehe nicht, wenn jemand kommt, und ich bin es, die nicht sieht, was ich sehen sollte. Sie hatte Augen und sie war blind.“(1)

Die Philosophin Hélène Cixous beschreibt im Zusammenhang mit ihrer Erkrankung an Myopie und ihrer Genesung die Erfahrung eines immer schon bestehenden Abstands zu ihrem eigenen Sehen: einer Kurzsichtigkeit, die Teil ihres Auges ist, ein Schleier, der sie von der Welt trennt und vor ihr schützt.
Als eine immer schon da gewesene Begleiterin, – Segel (la voile) und Schleier (le voile) –, die eine lange Geschichte sexueller Differenz bespielt und ins Wanken bringt. Als den Einbruch des Fremden selbst.

Auch Linda Samaraweerová und Karl Karner suchen nach diesem Abstand zum eigenen Sehen, wenn sie mit ihren Werken an der Erinnerung arbeiten. Oder besser: an ihrer Verweigerung. Unaufgeregt und präzise schaffen sie dafür in ihren Performances und Installationen Räume. Räume, in denen sie beispielsweise die Materialität von Objekten, Oberflächen oder Substanzen sichtbar werden lassen oder die Maschinerie des Theaterapparats ausstellen. Dabei geht es ihnen nicht um die einfache Umstülpung eines sonst versteckten ‚Innen‘, um ein Spiel der Irritation oder um eine Absage an Theatralität, nicht darum, den Betrachter zu täuschen. Vielmehr sucht der Akt des Offenlegens von Kodifizierungen und Einschreibungen nach einem anderen Raum. Einem, der sich seiner Voraussetzungen und Wirkweisen bewusst wird. Einem, der im Glanz der Patina auf ein ‚Davor‘ und ‚Danach‘ unserer Wahrnehmung verweist und utopische oder allzu idealistische Annahmen von Authentizität und Objektivierbarkeit unseres Sehens in ihre Schranken weist. Nach einem Raum, der auffordert, uns unseren eingeschriebenen oder fiktiven Mustern und Prozessen unserer Wahrnehmung zu stellen.

Sie behaupten damit den Abstand zum eigenen Sehen nicht nur als Teil, sondern vielmehr als Voraussetzung selbst für jede Begegnung, für jede Berührung, für jedes Sich-in-Verbindung-Setzen mit der Welt. Diese Berührung aber ist nicht – oder sie ist etwas anderes – als ein Innen nach Außen zu kehren. Ihr geht es nicht darum, Gefühlswelten mittelbar zu machen, eine Verbindung zu etwas Universellem zu behaupten oder Individualität zu bestätigen. Sie ist mehr als ein Zeitgeist-Phänomen. Die Geste der Berührung ist passiver als die der Ansteckung, die sich erst in ihrer Fortsetzung, erst im Moment der Übertragung, in der Reaktion des Anderen, im Austausch realisiert. Die Berührung, die die beiden Künstler in ihren Arbeiten suchen, zielt nicht auf ein Durchdringen, auf ein Umfassen, ein Abschälen oder einen anderen Effekt. Sie ist keine Abmessung. Mehr ähnelt die Geste der Berührung der Geste der Zärtlichkeit, die, wie Emmanuel Levinas (2) ihr Ausdruck gibt, eben durch den Abstand, der die Haut des Einen von der des Anderen trennt, erst kommuniziert. Wie die Hand, die sich tröstend auf die Schulter des Anderen legt, die Umarmung, die Berührung des eigenen Körpers – Trost, Rückversicherung und Fürsorge. Kein Durchdringen, kein Besitz, nicht einmal ein Danach-Greifen ist es also, um das es geht: Die Geste der Zärtlichkeit weiß nicht, wonach sie sucht. Sie ist nicht intentional und nicht gerichtet. Sie ist immer noch zu erwarten, noch nicht gewesen. Trotz und in der Wahrung dieser Trennung vom Anderen erkennt diese Berührung den Körper als einen menschlichen an und nicht als ein zu manipulierendes Objekt. Sie betrifft ihn, fällt in ihn ein. Durch den Abstand, den sie kennzeichnet, und in dessen Falten sich Nähe und Intimität entwickeln, wird ein Sich-Einlassen möglich, das am Anfang jeder menschlichen und künstlerischen Begegnung steht. Im Wissen um die Verführung von Handwerk und Virtuosität und auf der Suche nach eben diesem Abstand der (Blick-)Berührung setzen sich die beiden Künstler im Akt des Berührens der Monstrosität der von ihnen geschaffenen Räume, Situationen und Bewegungen aus: mahnend (monere) und zeigend (monare) werfen sie uns auf und in den eigenen Blick zurück.

Der Glanz der Patina ist ein melancholischer Glanz. Im Moment seiner Resonanz, im Moment des Betrachtens – und wie die Melancholie den Geruch des eigenen Todes in sich tragend – wirft er uns auf die Unmöglichkeit zurück, ihn zu besitzen, ihn festzuhalten, wieder herzustellen, ihn zu erinnern. Was ist es also, unser Sehen? Und wo ist sein Ort?

„Von nun an wusste sie nicht. Der Zweifel und sie waren immer unzertrennlich: Waren die Dinge verschwunden oder war sie es, die sie schlecht sah? Nie sah sie mit Gewissheit? Sehen (voir) war ein schwankendes Glauben (croire). Alles war vielleicht. Leben befand sich im Alarmzustand.“(1)

Das giftige Grün des Überzugs, das die Skulpturen mit einer Haut überdeckt, kennt den alarmierten Zustand, wenn es an unsere Zeitgenossenschaft appelliert. In einer Zeit, die mit der Gleichzeitigkeit und der Heterogenität von Einflüssen und Hervorgebrachtem, von Methoden und Diskursen das Leben ebenso wie die Kunst erfasst, in dem ein Sich-Einfinden in Zuordnungen, Affiliationen und (Kunst-)Geschichtsschreibungen zunehmend schwieriger wird, adressiert es unseren Wunsch des In-der-Zeit-Seins, des Mit-ein-Ander-Seins indem es drängelnd und mitunter unbequem nach dem Raum des Fremden fragt. Danach, wie wir das noch nicht Bekannte, das noch nicht Gedachte, das noch nicht Gesehene, noch nicht Beschreibbare, noch nicht Bewegte willkommen heißen, ohne es auf unsere Regeln und Pflichten, auf unsere Sprache, auf unser Territorium herunterzubrechen. Danach, wie wir im Sinne Jacques Derridas3 eine Praxis der „unbedingten Gastfreundschaft“ für uns entwickeln können, die sich nicht in Bildhaftigkeit und Reproduktion erschöpft. Danach, wie wir in der Erfahrung, dass uns das eigene Sehen nie ganz gehört, eine Neuvermessung zum vermeintlich Anderen und Fremden vornehmen können, die auf Unfertigkeit und auf Unvollkommenheit basiert und einen Raum einnimmt, der in der Kunst wie im Leben sehend, handelnd, denkend Alternativen probt.

Worum es geht, ist Über das Zaudern,4 wie Joseph Vogl es beschreibt, nachzudenken. Über eine Bewegung, die etwas anderes ist als Unentschiedenheit, Ohnmacht oder Handlungsunfähigkeit und sich auch nicht auf Festlegung, auf Fixierung oder Affirmation beschränkt. Vielmehr markiert das Zaudern eine Unterbrechung in das ästhetische System ein, einen Moment des Zögern, ein Stolpern, ein Innehalten: Anlass und Aufforderung, sich unseren eigenen Vorlieben, Voraussetzungen und Arbeitsweisen wieder zu stellen. Dort, wo zu schnelle Bilder und Interpretationen, zu eindeutige Formen und disziplinäre Zuordnungen aufgerufen werden, dort wo zu sicher geglaubte Wissenssysteme angenommen werden, einen vielleicht leisen, an den Fremde in sich selbst gerichteten, Widerstand zu leisten.

„Wenn man die Kurzsichtigkeit aber vertreiben konnte, lag das dann daran, dass sie eine Fremde war? Sie hatte es stets gespürt: Ihre Kurzsichtigkeit war ihre eigene Fremde, ihre wesentliche Fremdheit, ihre eigene notwendige zufällige Schwäche. Ihr Geschick.“(1)

Eine der wiederkehrenden Symbolwelten in den Arbeiten des Künstlerpaars ist die Maske, die sich die Augen, den Blick, die Form des Kopfes zu eigen macht. Stellvertreterin und Identifikationsfläche, Versteck und Verallgemeinerung. Die Maske trägt immer schon die Kopflosigkeit und das Überbordende eines jeden künstlerischen Werkes in sich und ist in dem, was sich selbst übersteigt, vielleicht ein verbindendes Element zwischen den skulpturalen und den performativen Arbeiten von Karl Karner und Linda Samaraweerová. Denn es ist diese Spannung, die sich im Antlitz der Maske zeigt, in der Herstellung und dem Sich-Entziehen von Form, zwischen Regulativ und Durchlässigkeit aufspannt, die den Blick des Betrachters aktiviert und mobilisiert. Die Spannung, die wir spüren, wenn wir mit den Augen und Ohren fast haptisch in die Textur ihrer Werke greifen, ist nicht die Illustration, sondern eben die Erfahrung des Fremden und des Anderen, von der auch Hélène Cixous schreibt. Auf der Suche nach Verbindungen, Zusammenhängen und Teilhabe stellt sie die Frage nach dem Grund und der Form unseres Handelns und Denkens und damit nach dem Verhältnis zum Anderen als grundlegendes ästhetisches und politisches Verhältnis.

Der Raum des Anderen ist in den Arbeiten von Karl Karner und Linda Samaraweerová nicht in einem abtrennbaren Außen situiert, er ist nicht abgrenzend zu uns positioniert, er ist nicht in einem blinden Fleck gefangen gehalten. Vielmehr ist er immer schon Teil unseres Handelns und Wahrnehmens, ist er ein Ort, der nicht zwischen den Arbeiten und ihrem Publikum, nicht zwischen Kunst und Leben, auch nicht zwischen Denken und Tun Raum greift. Er ist der Einbruch von- und ineinander, der uns in unserer Verletzbarkeit spürbar werden lässt. Dort, wo im Moment der Begegnung Restriktionen, Kontrollstrukturen und Normierungen, Träumen und Sehnsüchte auseinanderklaffen, sich überlagern und jenseits von akkreditierten Trennschärfen unseres Zusammenlebens und jenseits des Offensichtlichen die leiseren, brüchigeren Grenzlinien von Gemeinschaft nachzeichnen. Für die Freundschaft wie für die Kunst gilt es, sich selbst aus der Beengtheit ihrer Traditionen herauszulösen und ihre Themen und Motive in anderen Räumen, die immer auch soziale Räume sind, zu aktualisieren. Zwischenräume, die unsere individuellen wie kollektiven Vereinbarungen in der Irritation der Selbstbestimmung und der Notwendigkeit der Selbstvergewisserung aufs Spiel setzen und die Forderung nach gesellschaftlicher Verantwortung in der Konstitution von Gegenwart nicht nur hin zu Vergangenem, sondern auch hin zu Zukünftigem öffnen. Sich dem Anderen, dem Fremden nähern, es beschreiben, gestalten, umgarnen meint also nicht, sich gegen etwas zu wenden, meint also nicht, einen direkten, direktiven und normativen Widerstand gegen etwas zu formulieren. Die Begegnung mit dem Anderen findet in der Unausweichlichkeit statt, die es in unserem Auge platziert und die es immer schon zum Teil unseres Sehens, unserer Erfahrung, macht.

„Plötzlich hat sich die Kurzsichtigkeit (myopie), ‚die Andere‘, schlecht Gewachsene, ungelegen Gekommene, entschleiert: Die Andere war niemand anderes als ihr Liebchen (mie), ihre bescheidene geborene Gefährtin. Ihr teures Geheimnis.“(1)

Gleich dem Zaudern, ist „die Fremde, die Angst macht und Zustände bescherte“ (Hélène Cixous/21), eine janusköpfige Gefährtin. In der Begegnung mit ihr, ist es nicht der Dialog, den sie uns anbietet. Sie sucht nicht nach Konsens, sie begnügt sich nicht mit Prinzipien- oder Genrestreitigkeiten. Vielmehr fordert sie uns dazu auf, die Beunruhigung in der Begegnung mit dem Anderen ernst zu nehmen. Unseren Dialog für die Möglichkeit des Gegenläufigen, des Agonalen, zu öffnen und uns antwortend/verantwortend, im Moment des Mobilisierens unserer Gedanken und unseres Sehens selbst, uns in der Responsivität der Ko-Präsenz von Publikums-, Bürger- und Kunst-Körpern einen neuen Handlungsraum zu eröffnen. Einen Raum, der nicht nach Imitation und Nachahmung, sondern nach der Teilhabe an Ideen sucht. In diesem Sinne stellen die Arbeiten von Karl Karner und Linda Samaraweerová dann unser Verhältnis zur Welt infrage, wenn sie im Sinne Hélène Cixous als Aufforderungen verstanden werden können, sich im ‚Nicht-sehen‘, im ‚Immer-wieder- neu-glauben-müssen‘ zu versuchen, anstatt sich auf ein ‚Zum-Sehen-kommen‘ auszurichten.

„Da seht ihr (Voilà), was sie hinriß. Denn all dies hatte sie bereits mit der Brille unter Glas und ohne Begeisterung gesehen: geliehenes Sehen, abgetrennte Sicht.“(1)

Die Frage also, wie und wo sich die Arbeiten von Linda Samaraweerová und Karl Karner einordnen und sehen, lesen lassen – in Skulptur oder Bildhauereien, in Installation oder Performance –, verkennt den eigentlichen Punkt, da sie die Form der Darstellung auf ihren Inhalt eng führt. Vielleicht aber kann das Choreografische eine hilfreiche Annäherung sein – da, wo sie sich nicht auf die Lesart der Organisation von Bewegung in Raum und Zeit, auf das Schaffen und Abschaffen von Struktur beschränkt, sondern das Verlassen der eigenen Position zur Voraussetzung für die Verhandlung von fremden, anderen Körpern und Blicken und zur Voraussetzung für unser kollektives wie individuelles Handeln macht. Das Choreografische verstehe ich hier und entlang der Arbeiten der beiden Künstler gedacht mehr als einen Prozess, als ein Mittel der Perspektivierung, das die Überprüfung der eigenen Position zum Bestandteil der Arbeit macht – ohne den Gegenüber zum ‚Immer-Anderen‘ zu stilisieren, zu ideologisieren, zu illustrieren. In der Gegenläufigkeit und Unvereinbarkeit seiner Bewegungen lenkt das Choreografische die Frage nach der Handlungsfähigkeit auf das, was dazwischen ist. Darauf, dass ein Handeln zwischen den Körpern entsteht, sich immer nur zwischen uns ereignen kann. Dieser Bewegung des Durchkreuzens und Sich-Treffens, des Voneinander- Abschälens und Ineinandergreifens folgend, geht es darum, ein direktives Konzept der Verantwortung – ein Sprechen von individuellen Ideen und Körpern und Bewegungen und Sprachen, von Generationen und Formen – hin- zuführen zu einem ungesicherten, sich selbst mobilisierenden und spielerischen Antworten, das sich im Gestus des Sich-Übersteigens hin zum Anderen wendet.

Mit Hélène Cixous das Geteilt-Sein unseres Sehens zu denken, meint beides: den Wunsch und die Herausforderung einer Überprüfung unserer individuellen wie kollektiven Handlungsfähigkeit. Das, was dabei in den Arbeiten von Karl Karner und Linda Samaraweerová zur Verhandlung steht, kann sich nicht in Konsens oder Nivellierung, Einvernehmen oder Prinzipienstreitigkeiten erschöpfen und lässt sich nicht in repräsentative Ordnungen oder Zuweisungen fassen. Das Sehen existiert erst in seiner Performativität, also erst im Akt, im Moment ihres Vorstoßens, des Laut-Werdens, des Aufscheinens, des Widerspruchs – in seinem eigenen Widerstand. Im Glanz der Patina zu sehen versucht eine Praxis des Sehens zu bestätigen, die die Brüchigkeit und das Komponierte unserer Position braucht, um unsere künstlerischen und theoretischen Instrumente und Methoden um etwas zu erweitern, was vorsichtig nach einer ethischen Dimension im Ästhetischen fragt: um Erfahrungen der Verletzbarkeit, der Nähe, der Beschädigungen und der Anerkennung. Eine Praxis des Sehens, die im stumpfen Glanz der Patina die Herausforderung des Politischen annimmt.

„Wissen die Sehenden, dass sie sehen? Wissen die Nicht-Sehenden, dass sie anders sehen? Was sehen wir? Sehen die Augen, dass sie sehen? Die einen sehen und wissen nicht, dass sie sehen. Sie haben Augen und sie sehen nicht, dass sie nicht-sehen.“(1)

[1] Hélène Cixous, „Savoir. Wissen (Dies Sehen)“, in: Jacques Derrida / Hélène Cixous, Voiles. Segel und Schleier, Wien 2007, S. 11–22.

[2] Emmanuel Levinas, Die Zeit und der Andere, Hamburg 2003.

[3] Jürgen Habermas / Jacques Derrida, Philosophie in Zeiten des Terrors. Zwei Gespräche geführt, eingeleitet und kommentiert von Giovanna Borradori, Berlin 2004.

[4] Joseph Vogl, Über das Zaudern, Berlin/Zürich 2007.