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Nr.12/ I-2011

„Dies ist keine Pfeife“, die legendäre Text-Bildaussage Margrittes könnte gut als Leitmotiv für die installativ-performativen Choreografien des Bildhauers Karl Karner und der Choreografin Linda Samaraweerová gelten. Schlichter und gleichzeitig komplexer als mit diesem Satz konnte man jene durchlässige Stelle der Moderne gar nicht umreißen, in der das nach wie vor der Romantik verhaftete Subjet zwischen Selbst-, Objekt und Realitätserkennung hin und zurück geworfen wurde. Hier lässt sich  eine Türe öffnen, über die man in das geistige Haus des Künstlerkollektivs gelangen kann, ohne die dem Werk immanente Schönheit des Unaussprechlichen, des Geheimnisses, dessen Lösung man kennt, ohne es in Worte fassen zu können - oder zu müssen, zu zerstören.

 Seit 2005 agieren die KünstlerInnen gattungsübergreifend zwischen Bildender und Darstellender Kunst und entwickeln aus Skulptur, Installation, Performance, Tanz, Theater, Video und Film choreografische Arbeiten, die nicht selten Irritationen bis hin zur Ratlosigkeit auslösen, weil sich der Sinn, sobald er greifbar erscheint, immer wieder entzieht. In Stücken wie „I THINK WE HAVE A GOOD TIME – chanson de geste“ (2010), das die Idee des mittelalterlichen Heldenliedes aufgreift oder zuletzt „Alan Greenspangrünspan“ (2011), einem fiktiven Interview mit dem Ex-US-Notenbankchef Alan Greenspan, werden dem Instrumentarium der Dialektik eine Absage erteilt. „Entweder oder“ wird durch „sowohl als auch“ ausgetauscht. Es werden Koexistenzen präsentiert, die dem einordnenden Subjekt als paradox erscheinen. Genaue Beobachtungen von Gesellschaftlichem, Politischem und menschlichen Grundsituationen finden Ausdruck in absurden Dialogen und Handlungsabläufen. Durch permanente Wiederholvorgänge werden sie bis zur vollkommenen Sinnentleerung in abstrakte Muster übersetzt. Das eigentliche Thema sind jedoch nicht die Geschichten, sondern die Methode des Geschichten-Erzählens und -Lesens. Hier wird Strukturelles an sich verhandelt und Narration als eine „Ich-Verklärung“ enttarnt.

 Margritte benutzte eine Strategie des (vermeintlichen) Paradoxons, um eine Reflexion über die Mechanismen des Wahrnehmens und Erkennens an sich auszulösen. Karner/ Samaraweerová bedienen sich eines gleichzeitig narrativen wie ikonischen Surrealismus (was alleine schon ein Paradoxon ist), indem Handlungen und Formen aus einem zeitlich-logischen Ablauf herausgelöst werden, Objekt und Subjekt die gleiche Wertigkeit erhalten. Das Koordinatensystem von Zeit und Raum, die Grundlage unserer Sinnbestimmung, wird nur soweit verändert, das einzelne Handlungsstränge, einzelne Formen oder Objektteile noch zuzuordnen sind. Der Versuch, diese Einzelteile zu in einen linearen Zusammenhang zu bringen, Metaphern in eine eindeutig lesbaren Aussage zu übersetzten oder die Protagonisten einem bestimmten Lager zuzuordnen, führt ins Leere.  Daß wir das aber unweigerlich versuchen, weil wir diese Form der Ordnung brauchen, daß eine leichte Veränderung der Wahrnehmungszusammenhänge uns bereits verstört, das ist der Punkt, den Karner/ Samaraweerová in ihren Arbeiten sehr präzise und immer wieder berühren.